Eine amerikanische Universität hat im Jahr 2006 herausgefunden, dass 40% unserer Handlungen nicht von bewussten Entscheidungen, sondern von unseren Gewohnheiten abhängen.
Zu diesen Gewohnheiten gehören:
Die Art und Weise wie wir morgens aufstehen
Wie, was, wo, wann und warum wir essen und trinken
Ob wir zeitig, knapp oder verspätet an einem Ort ankommen
Wie verlässlich wir sind
Die Art und Weise unserer Sichtweisen (positiv – negativ)
Wie wir über Dinge nachdenken
Unsere Ordentlichkeit
Die Art und Weise wie wir Aufgaben erledigen
Wie häufig wir unsern Email Account / unser Smartphone checken
Wie wir mit Stress umgehen
Die Körperhaltung
Der Umgang mit uns selber und mit andern usw.
Charles Duhigg schildert zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie hilfreich das Verständnis von Gewohnheiten sein kann. Die folgende Geschichte beschreibt er in seinem Buch:
Die Geschichte ereignete sich in Kufa, einer irakischen Stadt neunzig Kilometer von Bagdad entfernt.
Ein amerikanischer Kommandant der Friedenstruppe hatte im Irak-Krieg mit Hilfe von Videos das Verhalten der irakischen Bevölkerung studiert. Dabei beobachtete er folgendes: Gewalt entstand jeweils, wenn sich auf einem Platz Leute versammelten und im Verlaufe der Stunden immer mehr Zuschauer und Kebab-Verkäufer den Platz füllten. Die Menschen unterhielten und verpflegten sich. Plötzlich warf dann jemand einen Stein oder eine Flasche und die Hölle der Gewalt ging los.
Als am Nachmittag die Menge auf dem Platz neben der Moschee wuchs und Leute mit Spruchbändern und Gesängen die Stimmung anheizten, bat die irakische Polizei Verstärkung bei der Friedenstruppe. Zur gleichen Zeit bekam die wachsende Menge auf dem Platz Hunger. Alle schauten sich nach Kebab-Verkäufern um. Aber es konnten keine Kebab-Verkäufer gefunden werden, da Polizei und Friedenstruppe auf Anweisung des Kommandanten alle Kebab-Verkäufer vom Platz fernhielten.
Hungrig verliessen bald darauf die ersten Menschen den Platz. Im Laufe des Abends leerte sich der Platz immer mehr und um acht Uhr abends waren alle gegangen.
Ohne Kebab-Verkäufer konnten die Leute ihren Hunger nicht stillen! Das Resultat: Ein leerer Platz ohne Gewalt-Eskalation. Eine wunderbare Geschichte, die zeigt, wie nützlich das Erkennen und Nutzen von Gewohnheiten sein kann.
Nach Charles Duhigg besteht jede Gewohnheit aus drei Elementen:
Möchten wir einen bewussten Umgangmit unseren Gewohnheiten pflegen, geht es darum, diese drei Aspekte zu verstehen.
Diese Erkenntnisse nutzen wir, um mit einem konkreten Plan eine nicht erwünschte Gewohnheit zu verändern. Das heisst, dass es von der alten zur neuen Gewohnheit vier Schritte braucht.
Schritt eins: Das Verhalten identifizieren Schritt zwei: Mit Bedürfnissen experimentieren Schritt drei: Den Auslöser isolieren Schritt vier: Einen Plan haben
Benno zeigt uns mit seinem Beispiel wie er diese vier Schritte umgesetzt hat.
Seine Situation
Bennos Ziel: Verzicht auf unnötige Kalorien
Bennos Gewohnheit: Pausenunterhaltung mit Kollegen bei Kaffee und Schokolade
Bennos Erkenntnis: Konflikt zwischen „Kalorienverzicht“ und „Leistungsfähigkeit“
Benno muss seinen Konflikt lösen, bevor er sein Ziel in Angriff nimmt!
Sein Vorgehen
Schritt eins: Benno erkennt sein Ziel und beobachtet sein Verhalten
Schritt zwei: Benno reflektiert seine Leistungsfähigkeits-Belohnung
Reflexion und Unterbrechung
A) Er stellt sich Fragen zu seinem Verhalten und legt fest wie er sein Gewohnheitsmuster unterbrechen könnte.
Verzicht
B) Er verzichtet auf einen Teilaspekt und überprüft darauf seine Leistungsfähigkeit nach der Pause.
Tag eins – Verzicht auf Kaffee
Bennos Erfahrung:
– Leistungsfähigkeit nach der Pause ist vorhanden
Bennos Erkenntnis: Kaffee ist nicht der Hauptfaktor seiner Leistungsfähigkeit
Tag zwei – Verzicht auf Schokolade
Bennos Erfahrung:
– Kaffee ohne Schokolade ist ein ungewohntes Gefühl
– Leistungsfähigkeit nach der Pause ist auch ohne Süsses in Takt
Bennos Erkenntnis: Er hat keinen Zuckermangel, der die Leistungsfähigkeit reduzieren würde
Tag drei – Verzicht auf die Unterhaltung mit Kollegen in der Cafeteria
Bennos Erfahrung:
– arbeitet nach der Pause unkonzentriert
– vermisst seine Lockerheit
Bennos Erkenntnis: Die Unterhaltung mit Kollegen in der Pause steigert seine Leistungsfähigkeit.
Schritt drei: Benno erkennt den Auslöser
Benno sucht den Auslöser seines Gewohnheitsmusters in einer der fünf Kategorien:
Ort
Zeit
Emotionaler Zustand
Anwesenheit anderer Menschen
Handlung, die unmittelbar davor stattfand
Daraus bildet er fünf Fragen, mit denen er den Start seines Musters an den drei folgenden Tagen untersucht. Benno merkt, dass der Auslöser für sein Gewohnheitsmuster die Zeit ist. An allen drei Tagen ist es ungefähr halb vier nachmittags, wenn Benno beschliesst eine Pause einzulegen.
Schritt vier: Benno erstellt einen Plan
Folgende Punkte berücksichtigt er:
sein Ziel
sein Gewohnheitsverhalten
seine Belohnung ‚Leistungsfähigkeit‘
den Auslöser
So sieht sein Plan aus
Im Normalfall:
Er meidet die Cafeteria und lässt sich so nicht von der Schokolade verführen. Stattdessen sucht er sich in der Pause im BüroKollegen, die Lust auf eine Unterhaltung haben.
Im Ausnahmefall:
Er geht nur noch in die Cafeteria, wenn er im Büro keine Kollegen findet, mit denen er sich unterhalten kann. Diesen Fall sieht er als gute Gelegenheit, sich darin zu üben, in der Cafeteria nur einen Grüntee zu trinken.
Benno ist zuversichtlich, dass er damit seinen inneren Konflikt gelöst hat. Nun versteht er sein Gewohnheitsmuster und kann ohne Leistungseinbusse auf Kalorien verzichten.
Ein gängiges psychologisches Verständnis lautet: Wenn die unbewussten Gewinne einer Erkrankung grösser sind, als die positiven Auswirkungen der Gesundung, wird es keine Therapie schaffen, einen Menschen wieder gesund zu machen.
Das heisst, eine kranke Person, die durch ihre Krankheit Aufmerksamkeit bekommt, die sie als gesunder Mensch nicht bekommen würde, bleibt krank.
Erreicht eine Person trotz grosser Anstrengung ihr Ziel nicht, wird sie sich fragen, warum schaffe ich es nicht? Findet sie keine Antwort ist es leicht möglich, dass ihre Versagensängste, Schuldgefühle, Selbstzweifel und Selbstvorwürfe zunehmen und die Selbstannahme in den Keller sinkt.
Bei dieser Ausgangslage lohnt es sich, die Frage nach einer „Psychologischen Umkehrung“ zu stellen. Eine „Psychologische Umkehrung“ bedeutet, dass nicht unsere bewusste Wahl sondern verdrängte, unbewusste Anteile das Sagen haben. Der Name „Psychologische Umkehrung“ stammt von Callahan, einem Psychologen, der kinesiologische Techniken in seiner Arbeit eingesetzt hat.
Was können wir tun, um solchen Selbstsabotageprogrammen auf die Schliche zu kommen?
Programme haben einen Bezug zur eigenen Lebensgeschichte. Die Umwandlung erfordert Geduld. Doch wenn Ziele trotz grossem Einsatz nicht erreicht werden können oder wenn jemand nach dem Sisyphus-Prinzip immer wieder von vorne anfängt, dann lohnt es sich, diese Geduld aufzubringen.
Mit Hilfe des Muskeltestens können inkongruente Anteile unserer Persönlichkeit eruiert werden. Doch bevor diese Tests durchgeführt werden, ist ein Bewusstwerdungsprozess notwendig. In der Regel findet dieser Prozess im Gespräch statt. Die Kunst dabei ist, den Versagens-Punkt genau zu erfassen. Sobald dieser Punkt klar ist, formuliert die Person dazu eine positive und eine entsprechend negative Aussage. Der Stress beider Aussagen wird mit dem Muskeltest überprüft. Zeigt nur die positive Aussage Stress an, dann sprechen wir von einer „Psychologischen Umkehrung“. Diese „Fehl-Programmierung“ kann anschliessend mit geeigneten Techniken neutralisiert werden.
Wenn wir uns selber sabotieren – Fall Carla
Im Leben von Carla dreht sich alles um’s Gewicht. Sie ist übergewichtig, hat aber trotz striktem Verzicht keinen Erfolg mit Diäten. Jeder neue Versuch abzunehmen, vergrössert ihre Verzweiflung, ihre Versagensängste, ihre Schuldgefühle, ihre Selbstzweifel und ihre Selbstvorwürfe. Ihre Selbstakzeptanz ist im Keller. Für Carla ein Horror-Szenario.
Was könnte dahinter stecken?
Was bedeutet für Carla das psychologische Verständnis ‚wenn unbewusste Gewinne einer Erkrankung grösser sind, als die positiven Auswirkungen der Gesundung, wird es keine Therapie schaffen, einen Menschen wieder gesund zu machen’?
Im Fall von Carla könnte das heissen, dass sie eventuell Mühe mit dem Abnehmen haben, weil sie durch ihr Übergewicht einen Vorteil hat, den sie als normalgewichtige Person nicht hätte.
Das erleichtert Carla kaum. Wie soll sie bitteschön einen Gewinn aus ihrem Übergewicht haben! Sie, die seit Jahren alles dran setzt, um abzunehmen. Mit dem Verstand ist das für Carla nicht nachvollziehbar.
Was kann helfen?
Bei dieser Ausgangslage lohnt es sich, die Frage nach einer „Psychologischen Umkehrung“ zu stellen. Wie oben erwähnt bedeutet eine „Psychologische Umkehrung“, dass nicht unsere bewusste Wahl sondern verdrängte, unbewusste Anteile das Sagen haben.
Angenommen, ein unbewusster Anteil von Carla würde sagen: „Ich habe Angst vor Nähe, am schlimmsten ist es bei intimer Nähe“.
Aus dieser Sicht betrachtet, verhält sich Carla’s Gewicht erfolgreich. Wäre sie attraktiv und anziehend, könnte das ihr Problem mit intimer Nähe vergrössern. Ihr unbewusster „Angst-vor-Nähe-Anteil“ sorgt in diesem Fall für Schutz.
Wie löst Carla ihre Selbstsabotage?
Die Hypothese „Angst-vor-Nähe“ stellt Carla vor die Frage nach ihrer Beziehung zu intimer Nähe. Dabei erinnert sie sich, dass sie als Jugendliche schnell errötete, wenn sie von einem Knaben angesprochen wurde. Im Gegensatz zu ihren Freundinnen empfand sie sich damals als scheu. Heute errötet sie nicht mehr. Doch nach wie vor vermeidet sie körperbetonte Kleider. Den Grund dafür sieht sie in ihrem Gewicht.
An diesem Punkt setzen wir den Muskeltest ein. Carla kreiert in ihrer Vorstellung ein Bild von sich als schlanke, attraktive Person. Sie betrachtet dieses Bild, indem sie schildert, was sie bei dieser Vorstellung sieht, was sie hört und wie sie sich fühlt. Genau so möchte ich sein, erklärt Carla. Obschon sie ihr Wunschbild mag und sich dabei gut fühlt, zeigt der Muskeltest Stress an.
Darauf stellt sich Carla vor, sie wäre 10 Kilo schwerer als jetzt. Auch bei dieser Vorstellung schildert sie, was sie sieht, hört und fühlt. Zum Schluss meint sie, dass sie genau so nicht werden will. Als wir dieses innere Bild mit dem Muskeltest überprüfen, zeigt der Muskeltest keinen Stress an.
Im Normalfall macht ein solches Testresultat keinen Sinn. Aus der Sicht einer psychologischen Umkehrung kann dieses Testresultat jedoch als Hinweis interpretiert werden, dass es einen wichtigen unbewussten Anteil geben muss, der mit der negativen Vorstellung befriedigt wird.
Carla formuliert darauf zwei Sätze, die zu den beiden Vorstellungen passen. Sie lauten: „Ich darf schlank und attraktiv sein“ und „Ich darf nicht schlank und attraktiv sein.“ Auch hier zeigt der Muskeltest nur bei der ersten Aussage Stress an.
Die Aussage ‚Ich darf schlank und attraktiv sein’ wird jetzt mit geeigneten Techniken korrigiert, so dass am Schluss der Muskeltest sowohl bei der positiven als auch bei der negativen Vorstellung stressfrei reagiert.
Durch das Lösen der Fehl-Programmierung stärkt Carla ihre Selbstakzeptanz. Ihr Kampf mit dem Gewicht verliert an Bedeutung. Nun kann sie ihr Ziel in Angriff nehmen.
Wie anfällig sind Menschen auf eine „Psychologische Umkehrung“?
Nicht alle Menschen sind gleich anfällig auf „Psychologische Umkehrung.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei die Selbstakzeptanz. Je weniger Selbstzweifel desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch Opfer einer „Psychologischen Umkehrung“ wird. Die meisten Menschen haben nur gelegentlich oder bei bestimmten Themen eine „Psychologische Umkehrung.“
Sollte jemand diesbezüglich aber ein massives Problem haben, dann würde bei jeder positiven Aussage Stress anzeigen und die entsprechende negative Aussage dazu wäre stressfrei. Callahan empfiehlt in diesem Fall mit einer vagen, generellen Aussage zu testen und auf eine Differenzierung zu verzichten. Mit der Zeit können die Aussagen dann präzisiert werden.
Im Normalfall ist die „Psychologische Umkehrung“ jedoch spezifisch. So kann selbst ein generell motivierter und erfolgreicher Mensch daran scheitern, wenn er etwas unbedingt will und es trotzdem nie macht. Obschon er sein Fehlverhalten erkennt, ist er unfähig dieses Verhalten zu ändern. In diesem Fall ist der Verdacht einer „Psychologischen Umkehrung“ angebracht.